Einsamkeitserfahrungen als Katalysator für Demokratiedistanz und autoritäre Einstellungen an beruflichen Schulen?
Im Februar hat Birgit Redlich die Gruppe der MSO durch ihr Abschlussseminar in Imshausen geleitet. In zwei Tagen erarbeiteten die Schüler:innen kleine Projektideen zum Beispiel für einen Kuchenverkauf zugunsten von Kindern oder für eine Politik-AG an der Schule. Ihre Ideen haben sie auch in kreativen Videos beworben und hatten eine gute Zeit bei uns – wir sind gespannt, was davon umgesetzt wird. Weitere Module, etwa zur extremen Rechten, wurden umgesetzt, in denen spannende Diskussionen über Themen wie Diskriminierung oder die Würde des Menschen geführt wurden. Am 19. und 20. März 2024 hat mit einer Gruppe der BSO Außenstelle Heimboldshausen auch die dritte Klasse das Seminarprogramm erfolgreich abgeschlossen.
Am 5. März 2024 hat Paul Lachmann erste Projektergebnisse auf einer Fachtagung des Progressiven Zentrums Berlin und des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg diskutiert. Unter dem Titel „Einsamkeitserfahrungen und Demokratiedistanz im Jugendalter“ kamen hierfür Bildungspraktiker:innen vor allem aus Berlin und Brandenburg zusammen. Das Programm des Fachtags finden Sie hier.
Anfang des Jahres konnten wir Fachoberschülerinnen und Fachoberschüler der Klasse 12 FOb der Modellschule Obersberg in Bad Hersfeld zu einem zweitägigen Workshop in den Räumlichkeiten der Stiftung in Imshausen begrüßen. Die Gruppe schloss damit die Seminarreihe aus sechs Modulveranstaltungen ab. Auf der Homepage der Schule findet sich ein Rückblick mit Bildern.
Das Projektteam hat im Januar die erste von drei Klassen für den Abschluss des Seminarprogramms in Imshausen begrüßt. Birgit Redlich begleitete gemeinsam mit der studentischen Hilfskraft Miriam Abdolrahimzadeh Shendy sowie Scheerin Alou (PfD Hersfeld-Rotenburg) die Gruppe der Beruflichen Schulen Eschwege durch zwei spannende Tage, in denen es vor allem um das Thema „Teilhabe in der Demokratie“ ging. Wie können junge Menschen sich gesellschaftlich und politisch einbringen? Was hilft ihnen dabei, was hindert sie? Die Schüler:innen haben zum Abschluss eine eigene Mini-Projektidee entwickelt, die sie nun umsetzen können. Zeitgleich ging die erste Erhebungsphase im Projekt zu Ende. Dem Projektteam liegen jetzt die Umfragedaten aller am Seminarprogramm beteiligten Klassen vor. Im Februar wird es erste Zwischenergebnisse zu u.a. den Fragen geben: Wie haben die Schüler:innen die Corona-Pandemie erlebt? Wie gehen sie mit Einsamkeit um? Wie stehen sie zur Demokratie und sehen sie die Extreme Rechte als Gefahr? Mit Blick auf das neue Jahr kann das Projekt bereits eine Kurz-Fortbildung zum Projektthema für alle im Bereich Schule Tätigen am Nachmittag des 29. Oktober 2024 ankündigen.
Wir suchen für das Projekt „gemEINSAM gegen RECHTS“ zum 1. April 2024 eine neue Studentische Hilfskraft (SHK) im Umfang von 15-30 Monatsstunden. Die Stelle ist befristet bis zum 31.12.2024. Bewerbungsschluss ist der 11.02.2024. Hier geht es zur Stellenausschreibung.
Seit diesem Monat ist ein weiterer wichtiger Baustein des Projektes in Arbeit: Im Rahmen der Seminare werden mit den teilnehmenden Klassen quantitative Fragebögen ausgefüllt, die einen spezifischen Blick auf den Umgang mit Einsamkeitsgefühlen und das Verhältnis zu autoritären Krisenlösungen werfen. Entstanden ist der Fragebogen durch die Kooperation mit dem Progressiven Zentrum (Berlin | PZ), das zum Jahresbeginn 2023 die Jugendstudie Extrem einsam veröffentlichte. Mitautorin ist unsere Co-Projektleiterin Prof. Dr. Claudia Neu. Durch das direkte Anknüpfen an die Erhebung des PZ erhofft sich das Projektteam, die deutschlandweite Studie um eine lokale Fokussierung ergänzen zu können. In einer zweiten Phase ab April 2024 wird die Erhebung über die teilnehmenden Klassen hinaus ausgedehnt. Schüler:innen beruflicher Schulen in der gesamten Projektregion soll dann die individuelle Teilnahme ermöglicht werden. Mit der Erhebung macht das Projektteam auch Hilfsangebote sichtbar: Sollten sich Teilnehmende professionelle Hilfe in Bezug auf Einsamkeitsgefühle oder im Umgang mit Diskriminierung und Rechtsradikalismus wünschen, finden sie entsprechende Hinweise am Ende der Umfrage.
Am 29. September 2023 hatten das Projektteam von "gemEINSAM gegen RECHTS" und die Koordinierungs- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie (PfD) in das Jugendzentrum Bebra (JuZe) eingeladen. Im Fokus des Tages für junge Menschen aus der Region stand das Thema Graffiti. Das Medium, das Menschen verschiedenster Altersgruppen interessiert, bietet Möglichkeiten zum Austausch und zum Erproben des eigenen Ausdrucks, die an diesem Tag erfolgreich genutzt wurden. Neben individuellen Graffiti als wichtige Identitätsmarker der Teilnehmenden – wie Nationalfahnen, Symbole von Fußballvereinen und der eigene Name – entstand im Workshop auch ein gemeinsames Graffito: In den Farben des Projektlogos wurde der Schriftzug GEMEINSAM GEGEN RECHTS an die Außenseite des Fußballfeldes gesprüht. Darüber hinaus bot die Koordingierungs- und Fachstelle der PfD die Möglichkeit, Bedarfe junger Menschen sichtbar zu machen und zu besprechen. Das Projektteam von GemEINSAM und die Kollegin der PfD sind dankbar für die tollen Begegnungen und Gespräche an diesem Tag und sehr motiviert, ein ähnliches Angebot auch im nächsten Jahr anzubieten.
„Aber ein Sämann überlässt nicht gerne knospende Saaten anderen zur weiteren Bearbeitung, denn zwischen Saat und Ernte liegen ja noch so viele Stürme.“ - Adam von Trott
Dieses Zitat aus dem ersten Abschiedsbrief von Adam von Trott verstehen wir als Leitmotiv des Projektes gemEINSAM gegen RECHTS. Denn es geht genau darum: Die Entwicklung junger Menschen sollte nicht der „Bearbeitung“ durch Menschen mit demokratieferner Auffassung überlassen werden. Angebote politischer Bildung, wie das unsere, leisten einen wichtigen Beitrag zur politischen Selbstermächtigung junger Menschen – entlang demokratischer Werte. Wir unterstützen sie darin, extrem rechte Inhalte zu erkennen, dagegen Stellung zu beziehen und vor allem ein inklusives, solidarisches Miteinander (weiter-)zu entwickeln.
Zentral ist dabei in diesem Projekt, dass individuelle wie auch kollektive Einsamkeitserfahrungen während der Corona-Pandemie reflektiert werden. Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf die Individuen und ihr soziales Umfeld? Welche positiven und negativen Aspekte hat die pandemische Situation, aus Sicht der Teilnehmenden, mit sich gebracht? Was bedeutet dies alles für ein demokratisches Miteinander?
Das Projekt gemEINSAM gegen RECHTS setzt genau hier an und will Jugendliche und junge Erwachsene an beruflichen Schulen in den grenznahen ländlichen Räumen Osthessens bzw. Westthüringens ansprechen – eine maximal diverse Zielgruppe, die aus Absolvent:innen verschiedenster Schulformen, einem hohen Anteil an Migrant:innen und Geflüchteten sowie Jugendlichen politik- und bildungsferner Schichten besteht. Dieser Gruppe von jungen Menschen fehlt es, gerade im (peripheren) ländlichen Raum, zudem häufig an Mitwirkungsmöglichkeiten und Begegnungsorten, an kultureller Vielfalt und Freizeitangeboten – besonders für Mädchen*. Mit besonderem Augenmerk auf Personen, die – auch nach der Schulzeit – in ihrer Region, im ländlichen Raum, wohnen bleiben und als Teil der Zivilgesellschaft agieren, soll eine nachhaltige Wirkung in der Region entstehen, zumal das erarbeitete Workshop-Konzept in das feste Angebot der Stiftung Adam von Trott, Imshausen e.V. übergehen und die Gedenkstätte als Sozialer Ort etabliert werden soll.
In Zusammenarbeit mit den Schüler:innen werden Lernmodule (weiter-)entwickelt, in denen demokratische Werte spür- und erlebbar sind. Die Teilnehmenden erhalten das Handwerkszeug für Diskussionen und Konfliktaustragungen, werden dazu befähigt Demokratiefeindlichkeit zu erkennen und ermutigt dagegen vorzugehen. Ganz im Sinne von Adam von Trott wird die Förderung von individueller und kollektiver Haltung betont. Im Rahmen des Projekts haben die Schüler*innen die Möglichkeit, selbstständig ein Mini-Projekt (Filmabend, Diskussion, Ausstellung, Podcast, etc.) zu konzipieren und umzusetzen.
Neben dem pädagogischen Schwerpunkt verfolgt das Projektteam auch ein Forschungsinteresse. Es bezieht sich maßgeblich auf den angesprochenen Zusammenhang zwischen Einsamkeitserfahrungen und der Abwendung von demokratischen Werten. Durch die wissenschaftliche Begleitarbeit soll zum Austausch zwischen Politischer Bildung und Wissenschaft beigetragen werden.
Ein Projekt im Innovationsfond des Bundesprogrammes „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Soziologie Ländlicher Räume an der Georg-August-Universität Göttingen.
Lehrstuhl für Soziologie Ländlicher Räume an der Georg-August-Universität Göttingen
Gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ durch das BMFSFJ
Paul Lachmann
Wissenschaftlicher Projektmitarbeiter
paulmiro.lachmann[at]uni-goettingen.de
Tel.: 06622 91 69 849
Birgit Redlich
Pädagogische Projektkoordination
birgit.redlich[at]stiftung-adam-von-trott.de
Tel.: 06622 91 50 755