Bedingungen von Polizeihandeln in Geschichte und Gegenwart
Ein berufsgruppenspezifisches Recherche- und Bildungsprojekt
In den letzten Jahren werden die Schlagworte Parallelgesellschaft, Paralleljustiz und Clankriminalität hitzig in öffentlich geführten gesellschaftlichen Diskussionen debattiert. Was steckt hinter diesen Begriffen? Und was sagt die aktuelle Forschung zur Situation in Deutschland? Dr. Hatem Elliesie, Vertretungsprofessor für Islamisches Recht am Orientalischen Institut der Universität Leipzig, wird diese Fragen am 19. April 2024 um 19 Uhr im Imshäuser Gespräch thematisieren. Wir freuen uns, dass sich Dr. Hatem Elliesie bereiterklärt hat, im Vorfeld der Veranstaltung im Rahmen unseres Polizeiprojektes einen Workshop zum selben Thema für Polizeikräfte aus der Region anzubieten.
Das Projektteam konnte im Februar und März viele Kooperationsgespräche abschließen und Termine für die Durchführung von Seminartagen festlegen. Im Laufe des Jahres werden das Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum Eschwege, das Polizeipräsidium Osthessen, die Polizeifachschule Leipzig und die Fachfortbildung Polizei der hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit nach Imshausen kommen, um die im Projekt entwickelten historisch-politischen Bildungskonzepte zu erproben.
Zum 1. Januar 2024 durften wir Dr. Andreas Strippel als neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter mit einer halben Stelle im Projektteam begrüßen. Herr Strippel bringt umfassende Erfahrungen in der historisch-politischen Bildungsarbeit mit Polizeigruppen mit, unter anderem aus seiner langjährigen freien Mitarbeit in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und einer Projekttätigkeit in der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen im Jahr 2022. Unser Bildungsreferent Magnus Hose ist seit Jahresbeginn mit 80% seiner Arbeitszeit als pädagogisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projektteam tätig. Die Koordination und Projektleitung hat unsere Geschäftsführende Studienleitung Malina Emmerink inne. Bereits bei den im Dezember durchgeführten Probeseminaren hat das Team erste Erfahrungen in der gemeinsamen Bildungsarbeit sammeln können und freut sich auf die Zusammenarbeit in diesem Jahr!
Nach vielen Gesprächen mit möglichen Kooperationspartnern haben wir im Projekt erste Probeseminare erfolgreich durchgeführt. In der ersten und zweiten Dezemberwoche kamen Multiplikator:innen und Angehörige der Bundes- und hessischen Landespolizei nach Imshausen, um erste Seminarkonzepte zu erproben und Anforderungen an das Recherche- und Bildungsprojekt zu erörtern. Die Seminare, die von den Teilnehmenden überwiegend positiv bewertet wurden, umfassten Module zur Geschichte und Rolle der Polizei im Nationalsozialismus und nach 1945, den Besuch unserer Dauerausstellung über Adam von Trott und eine Einheit zum Widerstand innerhalb der Polizei sowie verschiedene Übungen und Diskussionsanlässe zu Stereotypen und Vorurteilen, Diskriminierung und Radikalisierung in der heutigen Polizeipraxis. Wir freuen uns sehr, dass das Projekt nun Fahrt aufnimmt und der Grundstein für den Ausbau des Lern- und Erinnerungsortes Imshausen zu einem Zentrum der berufsgruppenspezifischen Bildung in Nordhessen gelegt ist.
Im Dezember 2023 hat sich die Steuerungsgruppe des Projektes erstmals zu einem halbtägigen Austausch in Imshausen getroffen. Für eine Mitarbeit im Beratungsgremium des Projektes konnten wir Christian Diegelmann (Polizeipräsidium Osthessen), Prof. Dr. Julian Junk (Forschungsstelle Extremismusresilienz, HöMS), Timm Rancke und Nora Zado (Demokratiezentrum im Beratungsnetzwerk Hessen - Gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Universität Marbug), Waldemar Regner (Koordinierungsstelle Vielfalt und Politische Bildung, HöMs), Peter Römer (Villa Ten Hompel) und Florian Stahl (Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum Eschwege) gewinnen. Nach einem ersten Kennenlernen und einer Einführung in die Idee, Konzeption und Struktur des Projektes zeigten die angeregten Diskussionen der Mitglieder, dass es einen hohen Bedarf an kritischer politischer Bildungsarbeit in den Institutionen der deutschen Polizei gibt. Die Gruppe sprach über die Vor- und Nachteile von externen Bildungsangeboten für Polizeikräfte, diskutierte mögliche Herausforderungen für das Projektteam und die Teilnehmenden der Seminare und lotete aus, in welchen Verhältnis historische Bildung zu einer kritischen Beschäftigung mit dem Berufsbild und -Alltag von Polizistinnen und Polizisten heute stehen sollte.
Das Recherche- und Bildungsprojekt der Stiftung Adam von Trott, Imshausen e.V. stellt die Bedingungen polizeilichen Handelns in Geschichte und Gegenwart in den Fokus. Mechanismen historischer Tatbeteiligung sowie widerständisches Handeln aus staatlichen Strukturen heraus bilden dabei den Ausgangspunkt für eine kritische Beschäftigung mit Berufsbild und Berufsalltag von Polizistinnen und Polizisten heute. Auf der Basis regionaler und zielgruppenspezifischer Quellenrecherchen werden modulare historisch-politische Bildungskonzepte im Lern- und Erinnerungsort Imshausen entwickelt und erprobt, die Angehörige von Institutionen der Bundes- und Landespolizei für demokratisches Handeln im Umgang mit ihren Zielgruppen sensibilisieren. Geschichte, Gegenwart und Zukunft werden dabei konsequent miteinander verbunden, um die Bedingungen von individueller Verantwortungsübernahme in unterschiedlichen politischen Systemen und gesellschaftlichen Strukturen zu verstehen und eigene Handlungsspielräume und -motive zu erkennen.
Im Fokus stehen einerseits die Unterschiede zwischen staatlichem Handeln in einer Diktatur und einer Demokratie: Vor welche Herausforderungen werden Polizistinnen und Polizisten gestellt, wenn sich das politische System, das sie vertreten, grundlegend verändert? Aus welchen Motiven handeln diejenigen, die sich Radikalisierung, Hass und Gewalt nicht entgegenstellen oder sogar aktiv mitmachen? Und welche Möglichkeiten haben jene, die mit staatlichem Rassismus und struktureller Diskriminierung nicht einverstanden sind? Anderseits sollen die Teilnehmenden für die Gefahren von antidemokratischen Tendenzen und Radikalisierungsprozessen innerhalb demokratisch verfasster Strukturen heute und in Zukunft sensibilisiert werden. Vor dem Hintergrund ihres eigenen Berufsalltags und -verständnisses werden Angehörige der Polizei dazu befähigt, die unterschiedlichen Funktionsweisen individueller und struktureller Diskriminierung zu verstehen und ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten innerhalb der staatlichen Strukturen zu erkennen und zu nutzen.
Das Projekt wird durchgeführt mit einer Modellförderung der Bundeszentrale für politische Bildung. Weitere Informationen finden Sie hier: Modellförderung | Förderung | bpb.de
Informationen zu unseren Kooperationspartnern finden Sie hier in Kürze.
Andreas Strippel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
andreas.strippel[at]stiftung-adam-von-trott.de
Magnus Hose
Pädagogisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter
magnus.hose[at]stiftung-adam-von-trott.de
Telefon: 06622 91 69 848
Dr. Andreas Strippel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
andreas.strippel[at]stiftung-adam-von-trott.de