Tagung

Ein kurzer Moment der Hoffnung

Tagung in Imshausen thematisierte „Suche nach einem besseren Deutschland“

Bis 1990 hat es gedauert, bis ein spannendes Kapitel der Nachkriegsgeschichte aus den Jahren 1947 und 48 aufgeblättert wurde. Und selbst die Buchveröffentlichung über die „Gesellschaft Imshausen“ traf trotz einer sehr positiven Rezension in der ZEIT, die die „Gesellschaft Imshausen“ als „politische Gruppe 47“ bezeichnete, auf ein eher geringes Echo. Jetzt hatte die Stiftung Adam von Trott den Autor des 1990 unter dem Titel „Die Träume der ersten Stunde“ erschienenen Buches, den Wiener Publizisten Wolfgang Schwiedrzik sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingeladen, sich am Ort des Geschehens, dem Imshäuser Herrenhaus in einer Wochenendtagung der „Gesellschaft Imshausen“ und den Entwicklungen der unmittelbaren Nachkriegszeit zu widmen.

1947 und 1948 traf sich auf Einladung von Werner und Heinrich von Trott zu Solz, den Brüdern des 1944 ermordeten Widerstandskämpfers Adam von Trott, ein Kreis von Intellektuellen, um über Pläne für die Neuordnung Deutschlands nach den Erfahrungen von Diktatur und Krieg zu beraten. Auf der Gästeliste fand sich, wie Wolfgang Schwiedrzik ausführte, ein illustrer Kreis – unter anderem die Herausgeber der „Frankfurter Hefte“, Walter Dirks und Eugen Kogon, die Mitbegründer der hessischen CDU waren, der Atomphysiker Carl Friedrich von Weizsäcker, der erste schleswig-holsteinische Ministerpräsident Theodor Steltzer, einer der wenigen Überlebenden des Widerstandsnetzwerkes „Kreisauer Kreis“, der Publizist Alfred Kantorowicz und viele mehr.

Für eine kurze Zeit, so Schwiedrzik, sei damals vieles möglich erschienen: Die Teilnehmer an den Tagungen der Gesellschaft Imshausen hegten Hoffnungen, grundlegende Leitlinien für ein „besseres“ Deutschland“ entwickeln zu können. Sie wollten eine Neubesinnung auf der Basis des christlichen Glaubens und eines demokratischen Sozialismus vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus, sie suchten nach einem so genannten „Dritten Weg“. Doch die Hoffnung währte kurz: Der aufkommende Kalte Krieg und die Einbindung der beiden deutschen Teilstaaten in die jeweiligen Blöcke ließen diese Hoffnung schnell erlahmen. Die dritte Tagung im Mai 1948 sei mit einem Eklat beendet worden.

In weiteren Referaten stellten Gabriel Rolfes (TU Chemnitz), David Begrich (miteinander e.V. Magdeburg), Stefanie Siedek-Strunk (Universität Siegen), Benedikt Wintgens (Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus in Berlin) einzelne Mitglieder der Gesellschaft Imshausen vor. Dabei wurde deutlich, wie unterschiedlich die Hintergründe und Haltungen der Männer (nur an der dritten Tagung nahm mit Katharina Fuchs eine Frau teil) waren, die an den Imshäuser Diskussionen teilnahmen. Werner von Trott wurde mit einer Lesung aus seinen Aufsätzen gewürdigt. Den zum Teil sehr hellsichtigen Texten, die zwischen 1945 und dem Tod Werner von Trotts 1965 entstanden waren, und die durch den von Heinrich Böll verfassten Nachruf ergänzt wurden, verlieh Holk Freytag plastische Gestalt.

Maren Drews-Lehmann (Universität Marburg), Sascha Penshorn (RWTH Aachen), Dr. Morten Reitmayer und Prof. Dr. Alexander Gallus (TU Chemnitz) ordneten die Aktivitäten der „Gesellschaft Imshausen“ in die Entwicklung Deutschlands in die Nachkriegszeit ein. Hier bildeten die Deutung der nationalsozialistischen Vergangenheit in Ost und West, der Einfluss von Intellektuellen, von Eliten und von ehemaligen Widerstandskämpfern wesentliche Eckpunkte.

Einig waren sich Referenten und Publikum in der Schlussdiskussion, dass die Aktivitäten der „Gesellschaft Imshausen“ nur wenig unmittelbare Wirkungen gehabt hätten, wenn auch viele der Teilnehmenden die Erfahrungen und Impulse aus Imshausen mitnahmen und an anderen Stellen weiterentwickelt hätten.

Dieser Artikel ist erschienen in der HNA Rotenburg | www.hna.de

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