„Natürlich fühle ich mich als Anderer, aber für mich ist jeder ein Anderer.“ So eröffnete Sergey Lagodinsky das Imshäuser Gespräch zum Thema „Jude in Deutschland oder deutscher Jude“ in der Reihe „Vom Umgang mit den Anderen“. Und wie die Ankündigung es versprach, wurde es eine interessante, kluge und kommunikative Veranstaltung.
Lagodinsky, Gründer und Sprecher des Arbeitskreises Jüdischer Sozialdemokraten, hatte Spannendes zu berichten und traf in Imshausen auf ein äußerst interessiertes Publikum.
Nachdem Lagodinsky den derzeitigen Statusquo der jüdischen Gemeinden in Deutschland und die vielfältigen Transformationsprozesse, in denen sie sich befinden, skizziert und das jüdisch-sozialdemokratische politische Engagement erklärt hatte, gab der Moderator, der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth, die Bühne frei für das Gespräch.
Ein wichtiges Thema war dabei neben anderen Aspekten die Ambivalenz der jüdischen Identität: Eine Identität, die religiös aber auch ethnisch definiert werden kann. „Wir können mit Religion nichts anfangen“, beschrieb Lagodinsky, der 1975 in Astrachan geboren wurde und 1993 nach Deutschland kam, die jüdischen Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. „Das bedeutet aber nicht, dass ich mich nicht als Jude fühle.“ Er sei Teil des jüdischen und auch Teil des deutschen Volkes.
Auch die soziale Situation der jüdischen Einwanderer wurde im Gespräch beleuchtet: „Wir haben stolze Synagogen, aber wir sehen nicht die Menschen, für die sie sind, und die sozialen Probleme der jüdischen Einwanderer“, so der Harvard-Absolvent. Zu diesen Problemen zählte der Referent die berufliche Situation und Altersarmut. „Junge Menschen haben gute Chancen, aber wir können unsere Eltern und Großeltern nicht abschreiben.“
Den Schritt in die Politik der Mehrheitsgesellschaft in Form des Arbeitskreises bezeichnete Lagodinsky als Nische für die Juden, die hier leben und bereit seien, Verantwortung für dieses Land zu übernehmen und die jüdische Perspektive in den politischen Diskurs mit einzubringen. „Wir sind hier, um zu bleiben“, versicherte Lagodinsky, „die Koffer sind ausgepackt und wir wollen anpacken.“
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'Imshäuser Gespräche' sind eine öffentliche Veranstaltungsreihe der Stiftung, bei der in etwa monatlicher Folge aktuelle Themen und Fragestellungen aus Gesellschaft, Politik, Wissenschaft oder Ökumene in einer Abendveranstaltung erörtert werden.
Dazu lädt die Stiftung kompetente Personen als Referentinnen/ Referenten ein. Einem einführenden Vortrag folgt jeweils eine ausführliche Aussprache.
Innerhalb kurzer Zeit haben sich die 'Imshäuser Gespräche' zu einem beachteten und anerkannten Forum der politischen Auseinandersetzung und Meinungsbildung in der Region Nordosthessens entwickelt.